Mortifizierung
Kunst, die das Lebendige erfassen und zur Form bringen will, spielt mit dem Unmöglichen. Ein Bild, eine Skulptur hält die Zeit an, die doch spürbar bleiben soll. Ein Körper, warm und leidenschaftlich, erstarrt zum Bild des Lebendigen. Zwei Reaktionen auf diese Transformation sind denkbar: Die Illusion lässt im glücklichen Fall das Gefrorene wie lebendig erscheinen. Im anderen Fall ruft das Bild das mythische Grauen an, Erinnerungen an Traumata: die plötzliche Leichenstarre, die Versteinerung oder den ewigen Schlaf, nachdem der Blick auf die Gorgonen oder auf die brennende Stadt gefallen ist, die Spindel den Körper verletzt 1
Kant hat diesem mythischen Schrecken nachgespürt und den „Übergang aus der Zeit in die Ewigkeit“ als „furchtbar-erhaben“ gekennzeichnet. Nach Kant ist der Gedanke der Ewigkeit „eine die Einbildungskraft empörende Vorstellung“, denn der Mensch ist ein Zeitwesen und nur in ihr denkbar. Dabei hat er in seiner Schrift „Das Ende aller Dinge“ nicht die Kunst im Sinn, wenn er sich auszumalen sucht, dass „alle Verändrung aufhört“. Aber es ist, als riefe er implizit die Idee der Skulptur auf: „Alsdann wird nehmlich die ganze Natur starr und gleichsam versteinert: der letzte Gedanken, das letzte Gefühl bleiben alsdann in dem denkenden Subjekt stehend und ohne Wechsel immer dieselben.“2
So nähert sich Kunst der empörenden Vorstellung, dem Furchtbaren und sucht es im gleichen Moment zu bannen. Die Aufnahme des Emotionalen und Seelenhaften ins Bildwerk gibt ein Darstellungsproblem auf, dem sich die Zeitgenossen Kants theoretisch gewidmet haben. Die Debatte um die antiken Vorbilder stößt dabei auf einen Aspekt, der ex negativo die Problematik der Versteinerung zum Ausdruck bringt: Als aufstörendes Zeichen verunglückter, und das heißt: illusionsloser Kunsterstarrung gilt ihnen die Grimasse. Im Modus entzeitlichter Vergegenständlichung lauert sie fast in jedem Gefühlsausdruck, der doch so sehr von der Beweglichkeit abhängt. Auch wenn die Grimasse vornehmlich anthropologisch als übermäßiger Leibausdruck wahrgenommen wurde, dem die Aura schierer Körperlichkeit und Animalität ohne genügende Durchseelung anhaftete3, war man an diesem Punkt mit dem Dilemma der Übersetzung von fazialer Lebendigkeit in die Kälte eines Mediums konfrontiert. Theodor Piderit berührt diesen Punkt, wenn er schreibt: „Die Alten liebten es bekanntlich nicht, auf den Gesichtern ihrer Statuen heftige Leidenschaften in ihrer ganzen Schärfe darzustellen – und mit Recht, denn der flüchtige Ausdruck der Leidenschaft, wenn er festgehalten wird auf der Leinwand oder im Marmor, macht einen peinlichen widerlichen Eindruck.“4
Der Entstellung durch die Zeitlosigkeit – man könnte auch sagen: der Mortifizierung – wurden verschiedene Strategien entgegen gestellt. Sie sollen im Folgenden kurz aufgeführt werden, da ihr Verschwinden im 19. Jahrhundert einen signifikanten Bruch darstellt, der meines Erachtens bedeutsam für die ästhetische Modernisierung ist und neue Konzeptionen des medialisierten Gesichts beinhaltet.5

Strategien der Verlebendigung
Die ästhetische Debatte zwischen Johann Joachim Winckelmann und Gotthold Ephraim Lessing über die griechische Bildhauerkunst bezeichnet bekanntlich zwei Positionen, die um die Frage des verkunsteten Lebendigen und der Grimasse kreisen. An die Seite dieser Diskurse über Kunst stellt sich die zeitgenössische (Proto-)Wissenschaft von den Leidenschaften, die ebenfalls Bildwerke verwendet. Zwar spielen hier ästhetische Werte keine erhebliche Rolle – die Bilder sind Illustrationen von Aussagen –, doch ist auch in diesen Diskursen die Lücke zwischen Bild und Lebendigkeit spürbar. Der Versuch der Schließung erfolgt über textrhetorische Mittel.

1. Winckelmann und die gesetzte Seele
Winckelmann deduziert seine Ästhetik aus einem zivilisatorischen Fantasma: Er imaginiert ein spartanisches Griechentum mit trainierten jungen Menschen. Als würde ein Skulpturenmeister schon am Fleische die Schönheit erarbeiten, entstehen lebendige Vorbilder für die Kunst, die in der Folge die Arbeit an der Natur fortsetzt und sie zur Perfektion bringt. Das doppelte Gestalten am Körper vertreibt nicht nur die korporale Mangelhaftigkeit, sie geht auf eine Kontrolle der Leidenschaften. Nach Winckelmann wird durch die Arbeit der Kultur „das Heftige, das Flüchtige“ gegen „das Gesetzte, das Gründliche“ ausgetauscht.6 Wiederkehrend spricht der Text beschwörend von Ruhe und Stille, die im Körperausdruck zu walten haben und durch die die Seele groß und edel erscheinen würde.

„[I]n allen Stellungen, die von dem Stand der Ruhe zu sehr abweichen, befindet sich die Seele nicht in dem Zustande, der ihr der eigentlichste ist, sondern in einem gewaltsamen und erzwungenen Zustande.“7

So ist jeder Leidenschaftsausdruck nur das Vorläufige, das Unfertige, und das Uneigentliche. Winckelmann visioniert einen anthropos, der über Leidenschaften verfügen mag, jedoch die Skulpturisierung des Leibes betreibt. Der Konflikt zwischen Bewegtheit und Unbewegtheit erscheint in dem Augenblick beigelegt, wo Leib und Skulpturenkörper als Musterstücke für einander aufgestellt werden. Das Kunststück des gesetzten Körpers ist in dieser Perspektive kein abgehobener Idealismus, sondern kulturwirksames Body Building für die realen Körper. Winckelmann synchronisiert eine normative Anthropologie mit einer normativen Ästhetik: Der geformte Körper ist Ausdruck einer geformten Seele, beide in stiller Größe strahlend. Winckelmann verlegt also das Bewegte ins unsichtbare Innere – und umgeht auf diese Weise das Problem seiner Darstellbarkeit in der Unbewegtheit.

2. Die Evokation des Transitorischen
Lessing hat in seiner Besprechung der Laokoon-Figur die Position Winckelmanns attackiert: „Der Ausdruck einer so großen Seele geht weit über die Bildung der schönen Natur.“8  
Das Dilemma der Zeitlichkeit in der Zeitlosigkeit, des erfrorenen Leidenschaftszeichens löst Lessing mit der Forderung nach dem Transitorischen. Der Künstler muss den Augenblick so gestalten, dass der Betrachter imaginär angefeuert wird und im Spiel der Einbildungskraft die gesetzte Szene belebt: „Je mehr wir sehen, desto mehr müssen wir hinzu denken können.“9 Nicht die fetischistische Oberfläche ist also das Eigentliche, sondern die lebendige Aktivität des Rezipienten. Seine eigene Bewegtheit geht auf das Unbewegliche über. Dass die Kunst des Leidenschaftsausdrucks über genügend provozierenden Gehalt verfügt, um diesen Transfer zu ermöglichen, wird von Lessing ebenfalls mit einem anthropologischen Argument gestützt. Er wendet sich auch hier von Winckelmanns Position der stillen Passion ab. In den Mittelpunkt stellt er die Multiplizität von Empfindungen, die in einem Moment wirksam sind. „Es gibt in der Natur keine einzelne Empfindung; mit einer jeden entstehen tausend andere zugleich, deren geringste die Grundempfindung gänzlich verändert […].“10 In der Gestaltung ist diese Vielheit genau der Anknüpfungspunkt für die imaginierte Transition. Goethe hat in der Nachfolge Lessings diesen Gedanken aufgegriffen und ausgeführt:

„Hier sei mir eine Bemerkung erlaubt, die für die bildende Kunst von Wichtigkeit ist; der höchste pathetische Ausdruck, den sie darstellen kann, schwebt auf dem Übergange eines Zustandes in den anderen. […] Bleibt alsdann bei einem solchem Übergange noch die deutliche Spur vom vorhergehenden Zustande, so entsteht der herrlichste Gegenstand für die bildende Kunst, wie beim Laokoon der Fall ist, wo Streben und Leiden in Einem Augenblick vereinigt sind.“11

Diese Strategie der imaginären Verlebendigung gewinnt Plausibilität vor dem Hintergrund bekannter Geschichten aus Bibel oder Mythos. Denn das Shifting von einer Emotion in die nächste kann der Rezipient nur dann nachvollziehen, wenn die dargestellten Gefühle sinnhaft an eine Narration gebunden werden. Warum sollte sich beispielsweise Furcht in Erstaunen wandeln, wenn nicht eine äußere Veranlassung den Wandel motivieren würde.
Dieser narrative Ansatz war für die Kunsttheorie sehr erfolgreich; sie setzte sich über Hegel12 bis zu Freuds Aufsatz „Der Moses des Michelangelo“ fort. Freuds Text ist darin bemerkenswert, dass er die klassischen Theoretiker beim Wort nimmt und ihre ästhetologischen Forderungen in die Praxis der Interpretation überführt: Seine Deutung des Kunstwerks ist nichts anderes als die (Re)Konstruktion des narrativen Kontextes, den er sogar mit drei Phasenzeichnungen illustriert. Noch die kleinste Geste wird vor dem Horizont des „höchst bedeutsamen Moments“ und nicht des „zeitlosen Charakter- und Stimmungsbildes“ wahrgenommen.13


Sigmund Freud, Der Moses des Michelangelo, 1914

3. Die Proto-Wissenschaft und die Literatur
Die naturphilosophisch inspirierten Traktate des 18. Jahrhunderts, die die Leidenschaften erkunden, widmen sich nicht explizit der Thematik des medialen Problems, implizit jedoch reagieren sie darauf. Anders als in den oft kommentierten ästhetologischen Schriften wirkt in ihnen eine Strategie der nachträglichen Bildverlebendigung, die – soweit ich sehe – bisher nicht beachtet wurde. Der Grund dafür mag in der veränderten Funktion des Bildes liegen: Bei der Erforschung der Wirkungen der Seele auf den Körper ist das Bild nicht das Eigentliche, es dient lediglich der Illustration und entsagt daher der ästhetischen Qualifizierung. Im Zentrum steht die Bemühung, deskriptiv, zum Teil mit medizinisch-anatomischen Referenzen, die Passionszeichen des Gesichts zu erfassen. Text und Bild scheinen auf eine gegenseitige Deckung zu zielen. Doch von James Parsons‘ „Human Physiognomy explain’d“14  (1747) über Johann Jakob Engels Ideen zu einer Mimik15(1785/86) bis zu Charles Bells The Anatomy and Philosophy of Expression16(1806) vertrauen die Forscher nicht der sprachlichen und ikonografischen Reproduktion des Augenblicks. Alle Texte sind durchsetzt mit Zitationen, Paraphrasen und Anspielungen auf literarische Texte. Der Korpus ist bei allen Autoren relativ homogen: Von den klassischen Autoren der Antike (Vergil, Horaz, Homer, Ovid) über Petrarca bis zu den großen kanonisierten Schriftsteller der Neuzeit (Shakespeare, Spenser, Milton) reicht das Repertoire. Mit dem Rekurs auf die Literatur rufen die Autoren kulturell verankerte Narrations- und Affektszenen auf, die dem Bild und der Deskription beseelend beigegeben werden. Die Transitionsmechanik, die die Ästhetiker dem Bildwerk zugeschrieben haben, wird nun in Form von bekannten Erzählstoffen mitgeliefert. Die Zeitlichkeitsform Literatur wird an die zeitlose Bildform gekoppelt und damit als sequenzieller Augenblick gewertet. Offenbar wurde auch von den naturphilosophisch operierenden Autoren die erstarrende Klassifikation der Gesichtsausdrücke noch als paradoxal erlebt, was die Beifügung von imaginierter Zeit und Bewegung nötig machte.

Freeze
Als die Fotografie erfunden wurde, erwuchs dem Klassizismus ein medialer Kontrahent. Nicht nur gewann die Idee des Realismus an Plastizität. In der berühmten Schrift von Baudelaire „Die Fotografie und das moderne Publikum“ wird der Clash der Kulturen benannt: die Auflösung der Idealität zugunsten des Hässlichen, die Freeze-Ästhetik versus Bewegung und Erzählung, die Grimasse statt durchseeltem Gesicht:

„Man stellt Gruppen von Schelmen zusammen, aufgeputzt wie die Metzger und Wäscherinnen an Karneval, und man fleht diese Helden an, für die Dauer der Belichtung die Grimasse zu halten: So glaubt man, tragische oder liebliche Szenen der alten Geschichte wiedergeben zu können.“

Der Auftritt der Leidenschaften als Mimikry ist Baudelaire zufolge ein Sakrileg gegen „die göttliche Malerei“ und die „erhabene Kunst des Schauspielers“.17  
Was der Schriftsteller konservativ beklagt und als Niedergang der Künste kritisiert, wird innerhalb des sich verfestigenden wissenschaftlichen Denkens im 19. Jahrhundert zur Tugend. Die Medizin, insbesondere die Physiologie und Psychiatrie, sowie die Anthropologie wenden sich den Leidenschaften zu und dominieren den Gegenstand. Mit ihnen vollzieht sich eine fundamentale ästhetische und epistemische Kehre. Die drei genannten Strategien der Bildverlebendigung verschwinden fast schlagartig aus den Diskursen. Weder wird eine fetischistisch-ästhetische Seelenschönheit gesucht, noch die Übergänglichkeit oder Literarisierung des Bildes betrieben. Mit empirischer Verve werden gerade die distinkten Momente begehrt, aufgezeichnet oder sogar reproduziert.18 Duchenne de Boulognes qua elektrischer Reizung hervorgerufenen Masken aus den 50er Jahren und die Fotografien davon markieren den Bruch mit der alten Kunst und episteme in aller Schärfe. Der Mensch erscheint auf den Bildern als Objekt einer Labortätigkeit, als physiologische Puppe, die man in Position bringt, künstlich petrifiziert, und der man die Orthografie des Körpers abnimmt.


G.-B. Duchennes de Boulogne, Mécanisme de la Physionomie Humaine, 1862

Keine Illusion, keine Geschichten, keine Referenz auf Pathosmomente. Und: Das neue Medium der Fotografie, diese Uhr zum Sehen, wie Roland Barthes geschrieben hat, evoziert einen Realismus unausweichlicher Augenblicklichkeit. Mithin alles, was im 18. Jahrhundert Abscheu erzeugt hätte, wird nun durch die Parallelaktion aus Verwissenschaftlichung und technischer Medialisierung systematisch produziert. Was die Theoretiker des 18. Jahrhunderts als Grimasse bezeichnet hätten, wird zum Inbild von Wahrheit. So behauptet Duchennes sogar, dass er unter Einsatz elektrischer Reizung auf dem Antlitz eines Leichnams Emotionsausdrücke wie bei einem lebendigen Menschen zu erzeugen vermag.19 Auch wenn er solche Bilder seinem Publikum nicht zumuten mag, kommt in der Aussage doch die Aufwertung illusionsloser Performance zum Ausdruck. Und es ist kein Zufall, dass sein Hauptmodell ein alter, hässlicher Mann war, der die Distanz zur Kunst mit ihren (falschen) Überhöhungen sinnlich und sinnhaft anzeigt.
Duchenne war gewiss nicht davon motiviert, die Kunst zu modernisieren, dennoch kann sein bildnerisches Werk gegen seine Intention als Einschnitt gesehen werden, aus dem Gesichtsimages entstanden sind, die sich von jedwedem Klassizismus abwenden und die produktiven Möglichkeiten einer Ästhetik des Hässlichen eröffnen. Wird diese Ästhetik gemeinhin der künstlerischen Avantgarde zugeschrieben, kann nicht übersehen werden, dass sie in der wissenschaftlichen Ikonografie präfiguriert.
Bereits 1853 gibt Karl Rosenkranz davon einen Vorklang, wenn er schreibt:

„In einem Atlas der Anatomie und Pathologie zu wissenschaftlichen Zwecken ist natürlich auch das Scheußlichste gerechtfertigt, für die Kunst hingegen wird die ekelhafte Krankheit nur unter der Bedingung darstellbar, daß ein Gegengewicht ethischer und religiöser Ideen mitgesetzt wird.“20   

Rosenkranz spricht noch vor dem Hintergrund einer Normästhetik des Schönen und setzt auf Differenzierung: Kunst/Schönheit versus Wissenschaft/Hässlichkeit. Diese Differenzierung zieht die Moderne ein. Bekannt ist die bewusste Referenz auf die Patienten-Fotografien aus der Salêtrière durch Breton und Aragon in „La Cinquantenaire de l’hysterie“ aus dem Jahre 1928, wo die Verrenkungen der Hysterie als poetischer Ausbruch gefeiert werden.21 Ganz in diesem Sinne einer Patho-Poetologie lautet auch der letzte Satz in Bretons Nadja: „Die Schönheit wird konvulsiv sein, oder sie wird nicht sein.“22
Aber schon früher vollzieht sich im fotografischen Medium ein langsamer Wandel. Als signifikanter Kipppunkt um 1900 ist Heinrich Rudolfs zehnjährige Anstrengung zu sehen, eine vollständige Ikonografie zu Charles Darwins The Expression of the Emotions in Man and Animal nachzuliefern. Auf der Scheidelinie zwischen Wissenschaft und Kunst – Rudolph ist Zeichner, der sich ins wissenschaftliche Milieu vorwagt – fertigt er nicht nur 640 Zeichnungen von Affektausdrücken an, er nutzt auch die Fotografie und stellt Bilder von emotionalen Situationen her, in denen er Darwins ikonografische Beispiele offensichtlich an Ausdrucksvehemenz zu übertreffen sucht.23


Heinrich Rudolph: Der Ausdruck der Gemuetsbewegungen des Menschen, 1903

Unverkennbar schreibt sich das performancehafte Szenario in die Bilder ein. Auch Darwins Fotograf Reijlander hatte sich ja schauspielernd als Model für die Affektdarstellungen inszeniert. Bei Rudolph tritt jedoch durch die Doppelaktion aus fotografischer Sektion des Bewegten und hypertrophem Gesten- und Minenspiel die Tendenz hervor, den konventionell verfügten Zeichenkanon zu verlassen. Gewissermaßen das Unechte, die bloße Körperlichkeit, die schon bei Duchenne illusionslos präsentiert wurde, überstrahlt den kommunikativ intendierten Affektausdruck. Die Fotografie zeigt, besser: produziert statt des sprechenden einen statuarisch-grotesken Körper. Ohne dass es der Akteur bemerkt, weicht die Grenze zwischen Ausdruck und sinnentleerter Action auf. Es ist bemerkenswert, dass die Problematik von Duchenne erkannt wurde. Er veröffentlicht ein Bild, auf dem sein Modell den Mund aufreißt und die Brauen hochzieht. Der Forscher merkt an, dass hier ein lächerlicher, leerer Ausdruck vorliegen würde, der nichts mit dem des Erstaunens zu tun habe. Duchenne nennt dieses Gesicht ohne Bedeutung eine Grimasse.24 Gab es früher die Unterscheidung zwischen schön und hässlich, zwischen richtiger und falscher Aussage, kommt nun die Kategorie der Sinnlosigkeit ins Spiel.


Duchennes de Boulogne: Mécanisme de la Physionomie Humaine, 1862

Diese Kategorie, so meine These, konnte entstehen, weil einerseits die Entnarrativierung illusionäre Anknüpfungen schwieriger machte, andererseits aber vor allem deshalb, weil der distinkte emotionale Ausdruck gesucht wurde, der das Störräuschen ausblenden will, es aber in der Ausgrenzung im selben Zuge als Möglichkeit mitproduziert. So entsteht eine Logik des Ein/Aus, der 1/0-Schaltung. Gibt es aber den Körper ohne Ausdruck? Die Unterscheidung zwischen Ausdruck und Nicht-Ausdruck wirft implizit ein kaum lösbares Problem auf, nämlich das des Übergangs, den es nicht geben darf: Wann beginnt ein Gesicht zu sprechen, was sind die Anzeichen des Umschlags vom Null- in den Ladezustand? Die Wissenschaft konstruiert Reinformen, die systematisch den Schmutz ausgrenzt. Michel Serres hat das Problem in eine eindringliche Formulierung gebracht:

„Noch der glatteste Körper besitzt eine Körnung […]. Gerade im Kleinsten und Lokalsten vibriert die Grenze in einer besonderen Fluktuation. Der Rand ist in das Rauschen getaucht, in sein eigenes Rauschen, die Unterscheidung wäre eine unendliche Aufgabe.“25

Es gibt keinen Forscher des 19. Jahrhunderts, der sich von diesem erkenntnistheoretischen Dilemma grundsätzlich irritiert gezeigt hätte. Doch ist es gerade dieses Dilemma, dass die avantgardistische Produktivität entzündet.

Künstler der Avantgarde sind daran gegangen, die systematische Produktion des diffusen Übergangs aus dem Schatten zu befreien und es für fotogen zu halten. Mit Mitteln der Selbstinszenierung und mit der Kapazität der Fotografie zur Enthüllung des Optisch-Unbewussten26 werden die rätselhaften, verrauschten, (proto-)pathologischen, semiotischen27 Körperzeichen in den Fokus der Wahrnehmung gebracht.
Einen noch zaghaften Selbstversuch zur Erkundung des Anderen-Signifikanten unternimmt Egon Schiele 1913/14, als er sich von dem Fotografen Anton Josef Trcka fotografieren lässt.

 Anton Joosef Trcka: Egon Schiele, 1913

Er macht eine Reihe manieristischer Posen, verschränkt die Finger seiner Hände auf skurrile Weise, hebt eine Braue oder legt die Stirn in Falten, schaut wie ins Nichts oder starrt somnambul auf ein imaginäres Ding. Bereits 1910 hatte er sein „Selbstporträt, eine Grimasse schneidend“ gemalt, dass auf radikalere Weise die Entstellung zeigt. Diese Bilder, Gemälde und Fotografien, wurden als aggressive Gegenentwürfe zu physiognomischen Charakterstudien und als Aufnahme hysterischer Intensität gedeutet, die die Einheitlichkeit der Person attackieren.28 So plausibel diese ästhetologischen Interpretationen sind, sie verbergen, dass auf der unmittelbaren Aussageebene der Körperzeichen sich ein Riss, eine Leere auftut. Signifizierende Leseweisen werden erschwert und auch nicht gestützt durch Legenden wie ‚Freude‘, ‚Zorn‘, ‚Trauer‘, ‚Überraschung‘, wie sie die wissenschaftlichen Affektdarstellungen des 19. Jahrhunderts begleitet haben. Das grimassierende Selbstporträt kontert die Thesis, die in Gestalt konventionalisierter Affektzeichen ikonografisch und sprachlich vermittelt wurde, zugunsten einer Sinnunsicherheit. Unausgesprochen wirft es Fragen auf: Was sagt dieser Körper? Will er etwas sagen? Gibt es den Körper aus Wüste, ohne Seele – wenn auch nur für den Moment eines Blitzes?
Die Abwesenheit eines „entgegenkommenden“ oder offensichtlichen Sinns (le sens obvie), wie Roland Barthes den klaren Botschaftsgehalt von Leidenschaftszeichen genannt hat, ist nicht umstandslos mit der Abwesenheit von Sinn überhaupt gleichzusetzen. Mit dem Begriff des „stumpfen Sinns“ (Le sens obtus) versucht Barthes einen Sinn zu fassen, der „überzählig“ und gleichzeitig „flüchtig“ ist.29  Barthes ringt mit diesem Paradox eines Sinns (den er in Standbildern aus Filmen Eisensteins wahrzunehmen meint), der nicht ausgesagt, sondern auf den lediglich deskriptiv verwiesen werden kann. Mit dem Begriff des stumpfen Sinns bietet er kein operationalisierbares Theorem, aber er spürt damit der Verunsicherungslogik nach, die in der fotografischen Erstarrung hervortritt: Man hält den Film, das Leben, die Diegesis an und dringt ein in das Rätsel des Übergangs, der als Zeitfragment zur Ansicht kommt.

Die Zersetzung des Symbolischen, die eine beunruhigende Austreibung von Signifikaten zur Folge hat, ist also ein Drängen hin zu einem anderen Sinn. Barthes folgt hierin Julia Kristeva, die diese Transformation als „poetische Revolution“ bezeichnet hat.30 Ein Beispiel für radikale Körperpoesie, die die Krise des Sinns zwischen Zerstörung und Suche offenbart, sind die esoterisch-unpersönlichen Inszenierungen Hilde Doepps aus den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts.
Ein kurzer Text mit dem Titel Träume und Masken, der eine Reihe von aufgeschriebenen Träumen enthält, wird unterbrochen von zwölf Fotografien. Angefertigt wurden sie von Charlotte Rudolph und zeigen die Autorin in ekstatischen Choreografien. Das Gesicht und die Hände tauchen als disjecta membra aus dem Schwarz des Hintergrunds und der Kleidung hervor: Fratzen, Schmerzanmutungen, Verkrampfungen reißen am Körper. Gewiss wird man hier ikonografische Anleihen bei der Ästhetik der Iconographie photographique de la Salpêtrière entdecken können, doch ist die intentionale Differenz zu bedeutend, als dass hier lediglich auf die oberflächliche Ähnlichkeit rekurriert werden könnte.

 Hilde Doepp: Träume und Masken, 1926

Es ist bemerkenswert, dass die Bilder auf doppelte Weise vertextet werden – als müsse der stumpfe Sinn geschärft werden. So rahmen nicht nur die Traumtexte assoziativ die Bilder, in einem nicht namentlich gezeichneten Vorwort wird eine Art ästhetische Kurzphilosophie mitgeliefert. Auf nur einer Seite wird Großes behauptet: Die Fotografien würden ein sich auflösendes Ich bezeichnen, den Weg „dionysischer Gestaltungen“ bezeichnen.

„Die unpersönlichen, von der Individualität der Trägerin losgelösten Masken sind das objektive Ergebnis des Prozesses: ästhetische Gebilde, deren Wert durch die Auswirkung zentraler, dem tiefsten Lust- und Leidkern des Seelischen zugehörigen Formimpuls bedingt wird.“31  

Man braucht solchen riskanten Theoretisierungen nicht zu folgen, Ernst zu nehmen sind aber die ikonografischen Effekte. Hilde Doepp, sich einer surrealistischen Impulsivität ergebend, verbindet sich mit Charlotte Rudolph, die sich einen Namen mit Aufnahmen bekannter Ausdruckstänzerinnen gemacht hat (Mary Wigman, Gret Palukka). Diese Koalition der Kunstauffassungen ist bedeutsam, denn beide waren inspiriert von der Idee des Unbewussten, des Okkulten und vom Zerebralismus. Das Gesicht tanzt, überlässt sich Automatismen; die Anstrengung zielt darauf, eine Dunkelheit in Szene zu setzen. Das ist gewissermaßen verrückt, weil nicht mehr auf die Sprachähnlichkeit des Ausdrucks gesetzt wird. Der Körper tritt hervor als dämonisch, von etwas Fremdem, Unverständlichem besetzt. Er wird als Medium visioniert, als Ort einer Semiosis, wo die Grenze zwischen Eros, einer neuen Körpersprache in utero und Sinnlosigkeit unscharf ist. Das Vorwort mit seinen philosophischen Anspielungen ist ein Versuch, einen Sinn einzurufen. Das Büchlein wird als „Dokument“ einer „weiblichen Geistigkeit“ beschrieben, „die ihre intensivste Leistung im Fragment erreicht“.32 Aber was ist diese Geistigkeit?
Also auch hier: Sinnbehauptung ohne benannte Sinninhalte. Die ekstatische Grimasse im Fragment der Fotografie soll der Vorschein von etwas noch Unbekanntem sein, einer Geistigkeit. In dieser Redeform bleibt die traditionelle Folie eines Körpers präsent, der dem Inneren Ausdruck gibt. Doepp wie auch Schiele konturieren ihre Auftritte mit Blick auf die herkömmliche Anthropologie. Von ihr wollen sie sich zwar formal distanzieren, beerben sie aber darin, dass es eine Sprache des Körpers gibt.
Als Kulminationspunkt und wohl ausgiebigste Erkundung des entformalisierten Körpers kann das werkreiche Oeuvre Arnulf Rainers gelten. Vierzig Jahre nach Doepp beginnt er seine mehrjährige Produktion von Face Farces, ekstatischen Selbstporträts. Oft kommentiert wurden die Produktionsbedingungen: Drogen, durch Selbstsuggestion induzierte Erregungszustände und Rezeption psychiatrischer Bilderwelten. Als neue bildliche Errungenschaft kommen Übermalungen hinzu, brutistische Kritzeleien, die die Zuckungen als Spuren nachzubilden scheinen, welche auch auf dem fotografischen Antlitz zu erkennen sind. Es ist, als würde sich der Künstler in eine wilde, ursprüngliche Körperlichkeit und Seelenverfassung hinein begeben.

 Arnulf Rainer: Augenschlag, 1972

In Selbstaussagen hat Rainer dieses Image bestätigt und angegeben, auf der Suche nach intensiven Momenten gewesen zu sein, die sich im Foto abbilden sollten.33 In seinem künstlerischen Selbstentwurf kommt er jenem Hilde Doepps äußerst nahe: die grimassierende Selbstentäußerung als authentische Mitteilung eines pathischen Inneren. 1997 hat er diese egozentrische Praxis relativiert und eine formalistische Begründung für die Bildproduktion vorgebracht. In einem Gespräch stellt er fest: „Körperhaltungen, Körpergesten, Grimassen oder was immer [ich] mache … das Endziel war eine andere Art von Bild, eine bis jetzt für mich nicht bekannte Form des Bildes.“ In einer Bewegung der Selbstdistanzierung fährt er fort: „Ich habe das [die Idee des Unbekannten] selber vielleicht auch formuliert, sozusagen als individuell oder subjektiv oder selbstbezogen, aber in dem Moment, wo sich das in ein Werk ausbreitet, geht das weit darüber hinaus; und das kann man ja allein so nicht sagen, daß es etwa nur aus den Unbewußtseinserforschungen kommt.“34
Man könnte auch sagen: Das Bild löst sich von seinen Produktionsbedingungen. Arnulf Rainer ist sich bewusst, dass es eine lange Geschichte des Porträts und der Gesichtsdeutung gibt. Jedes Antlitz ist aufgrund dieser Historie immer schon überkodiert. Auf diese transikonische Realität rekurriert der Künstler und thematisiert ein Signifikat, das eben nicht unmittelbar einholbar ist und quasi natürlich am ikonografischen Ausdruck klebt. Mag sich auch das Subjekt vor der Kamera als authentisch erleben, Kommunikation ist damit nicht garantiert. Und wenn er gar einem Bild den Titel Angst (1969/73) gibt, und damit auf die traditionelle denotierende Bezeichnungspraxis rekurriert, dann sehen wir aber gerade kein Bild, das ikonografisch die Tradition von Angsdarstellungen aufnimmt. Das Bild reagiert auf Bilder mit dem Ziel, ein Anderes-Bild zu werden. Zudem weiß Arnulf Rainer allzu genau, dass seine Übermalkunst alles andere als archaische Roheit darstellt. Der Strich des trainierten Zeichners ist sowenig zu übersehbar wie der Wille zur Kunst. Der Künstler bringt ein Bild hervor und verbirgt etwas darin. Denn am Ende zeigt er einen Kunstgegenstand, von dem wir nicht glauben, dass er von psychischen Verfassungen Kunde gibt. Die gefrorene Performance garantiert nicht die Übermittlung der Entstehungsbedingungen, der Intentionen und der psycho-mentalen Verfassung. Was vielmehr erkennbar wird, ist das Künstlersubjekt, das sich mit der langen Tradition des Selbstporträts befasst. Die Interpretation drängt sich auf, dass die Rainerschen Selbstporträts Metabilder sind, die einen Kommentar über Affektbilder beinhalten.
Hat diese Deutung Gültigkeit, und die kritischen Selbstaussagen weisen darauf hin, dann rückt Rainer gerade vom Nietzscheanismus Hilde Doepps ab. Dennoch gehören beide in den gleichen avantgardistischen Kosmos, in dem die Dunkelseite, das Andere des tradierten Ausdrucks thematisiert wird. Die Einlassung auf die Performance, die auf ein Höchstmaß an Eindringlichkeit bei der Darstellung zielt, beinhaltet gleichzeitig ein Einbrechen der Repräsentation. Mit Bachtin möchte ich diesen Körper als karnevalesk bezeichnen. Die Anthropologie des 19. Jahrhunderts (er)fand den Körper, der in seiner Leidenschaftlichkeit analysierbar, tabellarisch darstellbar und benennbar war. Der groteske Körper des Karnevals hingegen ist „niemals fertig“, immer ein „werdender Leib“. Bachtin stellt ihn explizit gegen den Ausdruckskörper:

„Die Augen sind für die groteske Gestalt des Gesichts vollends unwesentlich. Sie drücken das rein individuelle, das eigengesetzliche innere Leben des Menschen aus, das für das Groteske nicht in Frage kommt. Das Groteske hat es mit herausquellenden Augen zu tun. […] Jedoch der wichtigste Gesichtsteil ist in der Groteske der Mund. Er dominiert. Das groteske Gesicht läuft im Grunde auf einen aufgerissenen Mund hinaus.“35

Mit der Logik des Grotesken wird deutlich, warum Arnulf Rainer Selbstporträt an Selbstporträt reihen kann: Es gibt keinen Abschluss, immer findet sich eine andere Aus- oder Einstülpung. Das Gesicht disseminiert ad infinitum.

Mag in der Insistenz und Extensität der Produktion Rainers Werk herausragen, die Abwendung von der Anthropologie, die als Negation doch auch mit ihr verknüpft ist, durchzieht die Kunst seit der Mitte des 20. Jahrhunderts. Zum Bestand der kanonisierten Kunst gehören mittlerweile die fotografisch dokumentierten Body-Perfomances der 60er und 70er Jahre (z.B. Bruce Naumann, Jürgen Klauke, Klaus Rinke), die Selbstporträts Gottfried Helnweins der 70er und 80er Jahre, die Video-Dummies von Tony Oursler.


Melita Dahl: e-Motion, 2000 (Morphing Video basierend auf Fotografien)

Weitere eindrückliche Bildbeispiele von Richard Avedon, Suzanne Lafont, Greg Gorman, Anni Leibovitz, Douglas Gordon und Jim Shaw hat Robert A. Sobieszek in einer Ausstellung sowie in einem Katalog versammelt, die als Belege für die Tendenz zur Groteske angeschaut werden können.36 Bachtins Beobachtung, dass der aufgerissene Mund die Essenz des grotesken Gesichts gelten kann, wird in den Bildern eindrücklich bestätigt.

 Gottfried Helnwein: Self-Portrait with Smiling-Aid, 1972

Stellt sich am Ende doch der Zustand ein, in dem das Gesicht in Gestalt medialer Masken dem Ausdruck ausweicht? Die mimische Hypertrophisierung und die Verdinglichung in der angehaltenen Zeit könnten als Zerstörung des Gesichts angesehen werden. Oder ist die Grimasse weniger die Auslöschung des Gesichts als vielmehr des Systems Gesicht, das Deleuze/Guattari als weiße Wand mit schwarzen Löchern beschrieben haben?37 Punkt, Punkt, Kommastrich, fertig ist das Mondgesicht: In der Grimasse sehen wir, dass es ein Verrutschen gibt, durch das das Schema unterlaufen wird. Die Produktion von Gesicht, die Symbolisierung, gerät ins Stocken oder wird unterbunden. Das Gesicht nähert sich der Monströsität, in der die Anatomie umgestellt wird. Der Mund wandert auf die Wange, ein Auge will auf die Stirn, das Gesicht zieht sich zum Strich zusammen oder zerfliegt. Arnulf Rainers Übermalungen sind sinnliche Darstellungen von Richtungen und Intensitäten, auf denen die Gesichtsteile sich verteilen möchten. Vielleicht sollte man es wagen, vom Jenseits des Gesichts zu sprechen. Es ist die Rauheit, die sich nicht in ein System bringen lässt – weder in das klassizistische der Erzählung und der gezügelten Emotionen, noch in das der Wissenschaft, die die Orthografie des Ausdrucks niederschreiben möchte. Der stumpfe Sinn bringt Unruhe in den Sinn, weil er das Sprechen erschwert. Ist das Gesicht überkodiert oder unterkodiert? Das ist unklar. Doch bleibt der kultureller Zwang, dass auch die zum Un-Fall gebrachte Symbolisierung rückgebunden bleibt ans Symbolische. Man bleibt dabei: Dies ist ein Gesicht. Und setzt zur Deutung an – die jedoch nicht weiter kommt: „Das Gesicht ist wie …“


Sam Taylor-Wood: Hysteria, 1997 (Ausschnidtt)
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1  Ich spiele neben dem Gorgonen-Mythos auf die Geschichte von Lots Frau im Alten Testament und auf das Märchen „Dornröschen“ an.
2  Immanuel Kant, „Das Ende aller Dinge“, in: Berlinische Monatschrift, 1(1794), S. 495-522, hier: S. 496, 511.
3  Über den Rollenwandel der Grimasse vom 18. zum 19. Jahrhundert siehe ausführlich: Gunnar Schmidt, Das Gesicht. Eine Mediengeschichte, Paderborn 2003.
4  Theordor Piderit, Wissenschaftliches System der Mimik und Physiognomik, Detmold 1867, S. 13.
5  Zu betonen ist, dass im 19. Jahrhundert eine Umkehrung der Problematik zu diagnostizieren ist: Mit der Romantik mehren sich literarische Texte, die die unheimliche Verlebendigung von Kunstwerken zum Thema haben. Siehe dazu meinen Aufsatz: „The Peculiar Effect. Nathaniel Hawthornes Medien- und Modernitätskritik“, in: Ulrich Stadler, Sabine Haupt (Hg.), Das Unsichtbare sehen. Bildzauber, optische Medien und Literatur (erscheint Frühjahr 2004 in der Edition Voldemeer).
6  Johann Joachim Winckelmann, Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst [1756], Stuttgart 1995, S. 32.
7  Ebenda, S. 21.
8  Gotthold Ephraim Lessing, Laokoon [1766], Stuttgart 1998, S. 7.
9  Ebenda, 23.
10  Ebenda, 35.
11  Johann Wolfgang von Goethe, „Über Laokoon“, in: ders., Sämtliche Werke, Bd. 18, Frankfurt/M;. 1998, S. 495.
12  „Die Skulptur muß nicht so darstellen, wie wenn Menschen durch Hüons Horn mitten in der Bewegung und Haltung versteinert oder gefroren wären. Im Gegenteil muß die Gebärde, obgleich sie auf ein charakteristisches Handeln allenfalls hindeuten kann, doch nur ein Beginnen und Zubereiten ausdrücken, eine Intention, oder sie muß ein Aufhören und Zurückkehren aus der Handlung zur Ruhe bezeichnen.“ Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Werke 14, Vorlesungen über die Ästhetik II, Frankfurt/M., S. S399-400.
13  Sigmund Freud, „Der Modes des Michelangelo“, in: ders., Studienausgabe, Bd. X, Frankfurt/M.1969, S. 201.
14  James Parsons, „Human Physiognomy Explain–d“, in: Philosophical Transactions, Vol. 44, 1747.
15 Johann Jakob Engel, Schriften. Ideen zu einer Mimik [1785/86], Band 7, Berlin 1804.
16  Charles Bell, The Anatomy and Philosophy of Expresssion [1806], Fourth Edition, London 1847.
17  Charles Baudelaire, „Die Fotografie und das moderne Publikum“ [1859], in: Wolfgang Kemp, Theorie der Fotografie, Bd.1, München 1980, S. 110-113, hier: S. 110.
18  Siehe ausführlich dazu Schmidt, Das Gesicht, S. 51-75.
19  G.-B. Duchennes de Boulogne, Mécanisme de la Physionomie Humaine [1862], hier Referenz auf die englische Übersetzung The mechanism of human facial expression, Cambridge 1990, S. 102.
20  Karl Rosenkranz, Ästhetik des Häßlichen [1853], Leipzig 1990, S. 33.
21  Louis Aragon, André Breton, „La Cinquantenaire de l’hysterie“ (1878-1928), in: La Révolution surréaliste, 11 (1928), S. 20-22.
22  André Breton, Nadja, Frankfurt/M. 1986, S. 127. In der Übersetzung wird convulsive mit Beben übersetzt. Damit wird die Anspielung auf das Hysterische unterschlagen.
23  Heinrich Rudolph, Der Ausdruck der Gemuetsbewegungen des Menschen, Dresden 1903.
24  Duchennes, The mechanism, S. 87.
25  Michel Serres, Hermes V. Die Nordwest-Passage, Berlin 1994, S. 61.
26  Vgl. Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, Frankfurt/M. 1977, S. 36.
27  Im Sinne Julia Kristevas, die das Semiotische als vorzeichenhafte Grundlage des Symbolischen annimmt. Julia Kristeva, Die Revolution der poetischen Sprache, Frankfurt/M. 1978.
28  Siehe Klaus Albrecht Schröder, Egon Schiele: Eros and Passion, München, New York 1995, S. 84-86.
29  Dass Barthes sich auf Standbilder aus Filmen von Eisenstein bezieht, ist für den vorliegenden Zusammenhang von Interesse, denn er thematisiert ganz explizit das Verhältnis von Bewegung und Immobilisierung. Roland Barthes, „Der dritte Sinn“, in: ders., Der entgegenkommende und der stumpfe Sinn, Frankfurt/M.. 1990, S. 47-66, hier: S. 50.
30  Kristeva, Die Revolution. Kristevas Gegenstand ist die literarische Ausdrucksweise. Eine Übertragung auf das Feld des Körpers erscheint mir plausibel, weil der Körper als Signifizierungsmedium thematisiert wird.
31  Hilde Doepp, Träume und Masken, Dessau 1926, S. 5.
32  Ebenda.
33  Siehe dazu Susanne Regener, „Gesichts-Theater in der Fotokabine. Arnulf Rainers Automatenporträts aus den Jahren 1968-1970“, in: www.susanne-regener.de, 15.08.2003.
34  Arnulf Rainer, Gespräch mit Andreas Spiegl, Wien 1997, in: www.mip.at/dokumente/1157-content.html, 25.07.2003.
35  Michail M. Bachtin, Literatur und Karneval, Frankfurt/M. 1990, S. 16.
36  Robert A. Sobieszek, Ghost in the Shell, Cambridge/Massachusetts, London 2000. Das sehr erratische Bild- und Zitatgemisch Sobieszeks lasse ich unkommentiert.
37  Gilles Deleuze, Félix Guattari, Tausend Plateau, Berlin 1997, S. 230-262.

© Gunnar Schmidt

* in: in: Christoph Wulf, Jörg Zirfas (Hg.), Ikonologie des Performativen, München 2005, 84-103.