Der Citroën DS gilt als eines der herausragenden Designobjekte des 20. Jahrhunderts und sorgte schon auf dem Pariser Salon de l’Automobile von 1955 für eine Sensation. Heute hat der Citroën DS den Status eines erstaunlichen Verehrungsobjekts erlangt: Schon 1955 als Kunstwerk und Ikone bezeichnet, erscheint er heute als Mythos.Diese erstaunliche Wandlung – vom Gebrauchsgegenstand aus dem Industriedesgin zu einem metaphysischen Über-Objekt – zeichnet das Buch materialreich nach. Ausgangspunkt der kulturwissenschaftlichen Analyse sind nicht die oft kommentierte kühne Formensprache und die innovative Technik, sondern die Vielzahl an begleitenden Bildmedien aus den Bereichen Grafikdesign, Fotografie, Werbe- und Spielfilm sowie literarische Quellen und Beispiele aus der bildenden Kunst.
Die medialen Aneignungen, Umgestaltungen und Neukontexualisierungen des Autos trugen allesamt zur Herausbildung des mythischen Adorationskomplexes bei. In den Inhalten des Medienkonzerts kamen zeittypische gesellschaftliche Stimmungen zum Ausdruck, die auf Phänomene wie Kalter Krieg, beginnende Raumfahrt, Science-Fiction, Französität und Aufbruch in eine hedonistische Konsumkultur reagierten. Weiterführend werden historisch-kulturelle Vorprägungen der Automobilität in den Blick genommen, die im Citroën DS eine zeitgenössische Ausdeutung erfahren. Von alttestamentlichen Visionen bis zu modernen Technofantasien uneingeschränkter Beweglichkeit und aufschwingender Entgrenzung – Künstler und Designer vermittelten Grundmotive einer fantastischen Mobilität, die als Mythenbestand auch die Bildwelt des Citroën DS prägten.
Gunnar Schmidt ist Professor für das Lehrgebiet Theorie und Praxis des Intermedialen am Fachbereich Gestaltung der Hochschule Trier. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Medienästhetik, Medienkunst und Kulturgeschichte der Medien.